Der Fachkräftemangel betrifft auch die öffentlichen Finanzverwaltungen. Dieses Thema stand deshalb im Mittelpunkt des 4. Next Gen Swiss Public Finance Events. Die zentrale Fragestellung lautete: Wie kann sich die Finanzverwaltung der Zukunft effizienter organisieren, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken?
Grundsätzlich gibt es zwei Ansätze zur Effizienzsteigerung in der Finanzverwaltung:
1. Auslagerung und Kooperation
- Outsourcing bestimmter Aufgaben an Dritte (z.B. Beratungs- und Treuhandbüros)
- Organisation in Zweckverbänden
- Einkauf von Leistungen anderer Gemeinwesen durch Leistungsverträge
2. Automatisierung und Digitalisierung
- Nutzung der Chancen der Digitalisierung
- Konsequente Automatisierung von Prozessen zur Freisetzung personeller Ressourcen
Bemerkenswert ist, dass Finanzverwaltungen im Vergleich zu anderen Abteilungen eines Gemeinwesens wenige Leistungen auslagern und nur bedingt mit anderen Gemeinwesen kooperieren. Eine Studie aus dem Kanton Zürich belegt dies (vgl. Abbildung 1).
Die zürcherischen Finanzverwaltungen erbringen einen Grossteil der Aufgaben selbst. Lediglich die mittelfristige Finanzplanung wird in grösserem Umfang an Dritte ausgelagert. Auch das Versicherungswesen wird teilweise extern vergeben. Sensible oder politisch geprägte Aufgaben wie Jahresabschluss, Budget oder Lohnwesen werden jedoch fast ausschliesslich intern bearbeitet.

Abbildung 1: Art der Aufgabenerfüllung in der Finanzverwaltung, Quelle: Möckli et al. 2023, S. 6
Es stellt sich deshalb die Frage, warum Finanzverwaltungen viele Leistungen selbst erbringen und Tätigkeiten nur bedingt auslagern. Mögliche Gründe könnten sein:
- Ein noch zu geringer Leidensdruck
- Hohe regulatorische Hürden für Auslagerungen
- Grosse Erwartungen an Automatisierung und Digitalisierung
- Die Angst, an Kontrolle und Macht zu verlieren, insbesondere bei Aufgaben mit hohem politischen Handlungsspielraum
Um diese Fragen zu klären, haben wir im Rahmen des 4. Next Gen Events Diskussionen mit Praktiker:innen und Expert:innen aus der Branche geführt und mögliche Effizienzpotenziale ausgelotet. Die Ergebnisse dieser Diskussion sind in Abbildung 2 dargestellt.

Abbildung 2: Effizienzpotentiale Finanzverwaltung, Quelle: Umfrage Next Gen Event in Schlieren (2024)
Die Ergebnisse der Diskussion verdeutlichen insbesondere drei zentrale Aspekte:
1. Potenziale der Digitalisierung und Automatisierung
Die Branchenvertreter:innen sehen grosses Potenzial in der Digitalisierung und Automatisierung von Aufgaben und Prozessen. Dazu zählen insbesondere zentrale Tätigkeiten der Finanzverwaltung wie die Kreditoren- und Debitorenbewirtschaftung (1), die Erstellung des Jahresabschlusses (4) sowie die Lohnbuchhaltung (8). Viele Teilnehmer:innen betonen, dass zahlreiche Kernaufgaben der Finanzverwaltung stark politisch geprägt sind und hohe Datenschutzanforderungen (z. B. im Lohnwesen) mit sich bringen. Aus diesem Grund wird empfohlen, den Fokus stärker auf die Automatisierung von Prozessen zu legen, anstatt auf eine externe Auslagerung. Die genannten Aufgaben eignen sich hierfür besonders, weil sie stark standardisiert sind und sich wiederholende Arbeitsschritte enthalten.
2. Effizienzpotenziale durch Kooperationen
Effizienzpotenziale durch die Zusammenarbeit mit Dritten oder anderen Gemeinwesen werden eher zurückhaltend und auf spezifische Aufgaben bezogen beurteilt. Dazu gehören beispielsweise die Finanzplanung (6), das Versicherungswesen (9) sowie die IT-Services (11). Vor allem die letzten beiden Aufgaben werden nicht als klassische Kernaufgaben der Finanzverwaltung wahrgenommen, weshalb externe Expertise und Kooperation hier als sinnvoll erachtet werden. In diesem Zusammenhang sollte auch kritisch geprüft werden, ob diese Aufgaben überhaupt innerhalb der Finanzverwaltung angesiedelt sein sollten. Im Falle einer Kooperation oder Auslagerung ist darauf zu achten, dass keine zu starken Abhängigkeitsverhältnisse entstehen.
3. Zentrale finanzpolitische Aufgaben und Gemeindeautonomie
Bei zentralen finanzpolitischen Aufgaben wie der finanzstrategischen Steuerung (3), der Budgeterstellung (5) oder dem Cash-Management (7) wird nur begrenztes Effizienzpotenzial erkannt. Der politische Dialog und der persönliche Austausch spielen bei der Entwicklung einer Finanzstrategie oder während einer Budgetdebatte eine entscheidende Rolle, die weder automatisiert noch ausgelagert werden kann oder soll. Diese Aufgaben sind eng mit der Finanz- und Gemeindeautonomie verknüpft, weshalb die Auffassung vertreten wird, dass sie nur im äussersten Notfall ausgelagert werden sollten.
Die Diskussionen und Ergebnisse zeigen, dass die Aufgaben und Rolle der Finanzverwaltung eng mit der Gemeindeautonomie verknüpft sind. Kooperationen mit Dritten werden oft als Bedrohung für den eigenen Einfluss und die (Finanz-)Autonomie wahrgenommen. Obwohl dieses Argument nachvollziehbar ist, darf es nicht als Ausrede dienen, die eigene Organisation kritisch zu hinterfragen und kontinuierlich weiterzuentwickeln. Dies ist notwendig, um die Aufgabenerfüllung jederzeit zu gewährleisten.
Besonders kleinere Gemeinden mit begrenzten Ressourcen stehen vor der Herausforderung, Stellvertretungen sicherzustellen. Dies erhöht das Risiko von Leistungseinbussen bei Personalausfällen. Der Verband Zürcherischer Finanzfachleute (VZF) sieht Gemeinden mit weniger als 4.000 Einwohner:innen als kritische Grenze für eine ideale Aufgabenerfüllung und eine geringere Abhängigkeit von Schlüsselpersonen. Die Autoren gehen davon aus, dass die Servicequalität und die Effizienz der Finanzverwaltung tendenziell mit der Grösse einer Gemeinde oder Stadt steigen (Schmid et al. 2024).
Trotzdem ist es schwierig, aufgrund der Vielschichtigkeit der kommunalen Verwaltungsstrukturen in der Schweiz eine generelle Aussage zu machen. Jede Gemeinde muss deshalb ihre Situation individuell beurteilen und kritisch hinterfragen, inwiefern die Leistungserfüllung zukünftig sichergestellt und bestehende Prozesse – ob automatisiert oder in Zusammenarbeit mit Dritten – weiterentwickelt werden können (Schmid et al. 2024).
Literatur
Möckli, M., Vetsch, M., & Lang, A. (2023). Leistungserbringung in kleinen Gemeinden: Eigenerstellung oder Auslagerung? Swiss Yearbook of Administrative Sciences, 14(1), pp. 1–15. DOI: https:// doi.org/10.5334/ssas.175
Schmid, P., Kuoni, T. & Küng, O. (2024). Bericht VZF an die Arbeitsgruppe Zusammenarbeit der Plattform «Gemeinden 2030» zur idealen Grösse eines Kompetenzzentrums Finanzverwaltung. VZF: Januar, 2024.
Dieser Beitrag wurde aus den intensiven Diskussionen und aufschlussreichen Erkenntnissen der Workshops des 4. Next Gen Swiss Public Finance Events am 19. April 2024 inspiriert, das sich dem Thema «Öffentliche Finanzen – modern und attraktiv: Wie Talente rekrutiert, gefördert und gehalten werden können?» widmete.
Autoren: Sandro Fuchs (ZHAW) & Jonas Banholzer (Stadt Winterthur)