Umgang mit Risiken und Trends

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Schweizer Gemeinden und Städte stehen heute mehr denn je im Spannungsfeld zwischen stetig wachsender Komplexität, steigendem Erwartungsdruck und raschen gesellschaftlichen, technologischen und ökologischen Veränderungen. Risiken wie Naturkatastrophen, Cyberangriffe und finanzielle Engpässe treffen auf Trends wie den demografischen Wandel, die fortschreitende Digitalisierung und den Klimawandel. Mit diesen Entwicklungen und Ereignissen gewinnt der bewusste Umgang mit Risiken und Trends im öffentlichen Sektor zunehmend an Bedeutung.

Einen Blick in die Praxis

Während Risikomanagement in der Privatwirtschaft seit Langem etabliert ist, steckt es in vielen Verwaltungen noch in den Anfängen. Einheitliche Vorgaben für Gemeinden fehlen; vielerorts entscheiden diese selbst, ob und wie sie Risiken steuern (Dietiker et al., 2017). Schweizweite Umfrage der Universität Bern zeigt: Zwar erfassen über die Hälfte der befragten Gemeinden und Städte Risiken, doch nur wenige setzen den gesamten Prozess – von der Erfassung über die Bewertung bis zur regelmässigen Überprüfung – konsequent um (Haueter & Arnold, 2020).

Diese Beobachtung bestätigte auch der Workshop am 5. Next Gen Event: Viele Gemeinden verfügen zwar über ein Risikomanagement, nutzen dafür jedoch meist einfache Excel-Lösungen, die primär in der Finanzverwaltung zum Einsatz kommen. Strategische Risiken und Führungsfragen geraten dabei leicht aus dem Blick. Gleichzeitig zeigt sich der Wunsch, Risikomanagement stärker als Führungsinstrument zu verankern – um Risiken frühzeitig zu erkennen, finanziell zu bewerten und fundierte Entscheidungen zu ermöglichen.

Derzeit setzen viele Gemeinden vor allem auf Versicherungen oder betrachten Risiken isoliert. Besonders herausfordernd bleiben Investitionen wie Bauprojekte oder zusätzlicher Schulraum, deren Folgekosten langfristig den finanziellen Spielraum einschränken. Hinzu kommen der zunehmende Fachkräftemangel, enge Vorgaben von Kanton und Bund sowie steigende Erwartungen der Bevölkerung an Servicequalität und Leistungsfähigkeit der Verwaltung.

Wie gelingt also der Einstieg – pragmatisch, ohne Überforderung, aber mit Wirkung? Die folgenden fünf Empfehlungen zeigen, wie Gemeinden Risikomanagement Schritt für Schritt aufbauen können.

Fünf Empfehlungen für ein wirksames Risikomanagement

1. Einfach starten – schrittweise ausbauen

Ein Risikomanagement sollte einfach und praxisnah gestartet und schrittweise weiterentwickelt werden. Die Methodik resp. Vorgehen soll klar und verständlich sein, bevor komplexe Modelle oder technische Tools eingesetzt werden. Eine regelmässige Überprüfung sorgt dafür, dass das System laufend verbessert und angepasst wird. Dazu gehört auch eine systematische Umfeldanalyse, die interne Faktoren (z. B. Personal, Prozesse) und externe Faktoren (z. B. Markt, Gesetzgebung) beobachtet, um Risiken flächendeckend zu identifizieren.

2. Rollen und Verantwortlichkeiten klar regeln

In der kommunalen Verwaltung bestehen je nach Departement unterschiedliche Kulturen und Strukturen. Damit ein gemeinsames Verständnis entsteht, müssen Rollen und Verantwortlichkeiten klar geregelt sein. Eine zentrale Stelle (z. B. im Finanzbereich) koordiniert und behält den Überblick über alle Risiken. Die Fachabteilungen oder Dienststellen erfassen, bewerten und überprüfen ihre eigenen Risiken und setzen passende Massnahmen um. Ein regelmässiger Austausch zwischen den Bereichen, etwa in Steuerungsgruppen, fördert die Zusammenarbeit, unterstützt ein einheitliches Risikoverständnis und ermöglicht gegenseitiges Lernen.

3. Politische und gesetzliche Verankerung sichern

Ohne Unterstützung der Führung bleibt Risikomanagement oft wirkungslos. Politische Rückendeckung sorgt für Legitimität, sichert Ressourcen und stärkt die Akzeptanz in der Verwaltung. Eine Risikopolitik, die Ziele, Zuständigkeiten und Risikobereitschaft festlegt, bildet die strategische Grundlage. Eine gesetzliche Verankerung, zum Beispiel in Gemeindegesetzen oder Finanzhaushaltsverordnungen, schafft zusätzlich Verbindlichkeit und Klarheit.

4. Risikokultur und gemeinsames Risikoverständnis fördern

Die gelebte Risikopolitik (siehe Punkt 3) beschreibt die Risikokultur und bildet die strategische Grundlage für das Risikomanagement. Führungskräfte spielen dabei eine zentrale Rolle, indem sie den bewussten Umgang mit Risiken vorleben und Mitarbeitende sensibilisieren. Schulungen, Workshops und einheitliche Informationssysteme unterstützen den Aufbau eines gemeinsamen Verständnisses und helfen. Eine offene Kommunikation und positive Fehlerkultur schaffen Vertrauen und machen Risikomanagement zu einem natürlichen Teil der täglichen Arbeit.

5. Risikomanagement in Strategie und Entscheidungen verankern

Risikomanagement sollte nicht nur ein Bericht sein, der abgelegt wird, sondern ein fester Bestandteil strategischer Planung und Entscheidungsprozesse. Risiken sollten regelmässig in Führungssitzungen besprochen und bei wichtigen Entscheidungen berücksichtigt werden. Der Risikobericht dient dabei als aktive Entscheidungsgrundlage und wird idealerweise mit Steuerungsinstrumenten wie Budget oder Legislaturprogramm verknüpft. So entsteht eine ganzheitliche Sicht auf Chancen und Gefahren, und Risikomanagement wird zu einem Führungsinstrument, das vorausschauendes Handeln ermöglicht.

Fazit

Der bewusste Umgang mit Risiken und Trends stärkt die Handlungsfähigkeit von Gemeinden in einem Umfeld wachsender Unsicherheiten und langfristiger Trends. Entscheidend ist, pragmatisch zu starten und das System schrittweise auszubauen. Klare Rollen und Verantwortlichkeiten schaffen Transparenz und gewährleisten eine ganzheitliche Betrachtung der Risiken. Politische und gesetzliche Verankerung bietet Rückhalt und Verbindlichkeit, während eine gelebte Risikokultur das Bewusstsein und die Offenheit im Umgang mit Unsicherheiten fördert. Seine volle Wirkung entfaltet Risikomanagement, wenn es fest in Strategie und Entscheidungsprozesse integriert ist – als Instrument vorausschauender Verwaltungsführung.

Quellen

Arnold, M., & Haueter, J. (2022). Gemeinderisiken 2022. Institut für Unternehmensrechnung und Controlling. https://www.iuc.unibe.ch/forschung/report_gemeinderisiken_schweiz/index_ger.html

Dietiker, Y., Schiltz, K., Hunziker, S., & Gwerder, L. (2015). Ganzheitliche Risikosteuerung in 10 Schritten—Risikomanagement und IKS für Schweizer Gemeinden. Haupt. http://hdl.handle.net/11654/5077

Dieser Beitrag wurde aus den intensiven Diskussionen und aufschlussreichen Erkenntnissen der Workshops des 5. Next Gen Swiss Public Finance Events am 25. April 2025 inspiriert, das sich dem Thema «Finanzielle Führung im Wandel: KI, Megatrends, Kommunikation und Finanzierungsstrategien» widmete.

Autoren: Mirjam Schwarz (ZHAW), Michelle Meier (Gemeinde Wil ZH)